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Großes Kino – in Spaniens Süden wurden viele Western gedreht.

Wer durch die sogenannten Badlands in ANDALUSIEN reist, ist Hauptdarsteller im eigenen Film. Die Rundtour führt durch die Sierra Nevada, die Wüsten Gorafe und Taberna bis ans Mittelmeer. Eine echte Herausforderung!

TEXT & FOTOS: THORSTEN BRÖNNER

Manchmal genügt ein Bild oder eine Sequenz und schon ist es um einen geschehen. Dann nimmt das Kino im Kopf seinen Lauf. Die innere Stimme ruft: Wow! Da will ich hin! Dieses Verlangen setzte bei mir beim Trailer zum Gravelbike- Event Badlands ein. Eine Drohnenaufnahme: zerfurchte Berglandschaft mit Zacken bis zum Horizont. Darin ein einsamer Biker, der bergab durch die Hügel cruist. Gibt es diese Gefilde wirklich in Europa? Ein Besuch der „Badlands“-Website bringt Gewissheit und schürt die Sehnsucht. Das Rennen überwindet mehr als 15.000 Höhenmeter. Puh! Durch diese wilde Naturschönheit brettern? Den ganzen Tag fahren, teils sogar bei Nacht? Ich entscheide mich für eine Solofahrt im Frühjahr Ende April. Ob das so klug war? Für den ersten Tag ist eine halbe Etappe eingeplant: 34 Kilometer und 1600 Höhenmeter. Am Morgen bin ich um neun Uhr am Südeingang der Alhambra mit der Reiseleiterin Monica Rodríguez Mantilla verabredet. Hinter der Puerta de la Justicia öffnet sich eine andere Welt. „Die rote Festung“ sitzt auf einem langgestreckten Hügelzug über der Stadt. Das Bollwerk erlebte seine Blüte während des Kalifats. An einem der Aussichtspunkte hält Monica und erklärt die Lage Granadas. Die heutige Provinzhauptstadt liegt am Zusammenfluss von Darre und Genil. Ringsum ragen hohe Bergketten auf. Bis zur Küste sind es Luftlinie 50 Kilometer, in die Gegenrichtung führt eine Verbindung nach Norden, ins Herz Spaniens. Wir spazieren tiefer in die Alhambra hinein. Hier verzaubern der Löwenbrunnen, da das Stalaktitengewölbe in der Sala de los Abencerrajes und dort die Bewässerungsanlagen. Überall Ornamente, Verzierungen und Kacheln. Die Alhambra ist zurecht Weltkulturerbe. Ich könnte den ganzen Tag den Schilderungen von Monica zuhören und über die weitläufige Anlage spazieren. Doch die Berge rufen, dazu die Badlands.

Mit Rückenwind über löchrige Pisten

Um 13 Uhr trete ich in die Pedale und schnaufe ein steiles Sträßchen hinauf. Es zieht sich ostwärts durch die Olivenbäume in die Stille des Naturparks Sierra de Huétor. Weiter oben wachsen Kiefern-, Zedern- und Tannenwälder. Wo die Bäume zurückweichen, bieten sich tolle Blicke auf die schneebedeckten Berge. Die Piste wird löchrig und ausgewaschen, die Hänge sind teils zerfurcht – jetzt beginnt das Abenteuer und die Nervosität der Anreise ist purem Bewegungsdrang gewichen. Weiter und was für eine Lage!

In der Unterkunft „Casas Cuevas Almagruz“ in Purullena übernachtet man in Höhlenhäusern weiter, treten und treten. Jede Kurve, jede Kuppe zaubert neue Eindrücke. Die zweite Etappe unterstreicht: Wer für die Badlands Tour nicht trainiert hat, wird leiden. Heute verteilen sich über 2000 Höhenmeter auf nur 67 Kilometer. Der erste Anstieg beginnt in meinem Übernachtungsort Güejar Sierra. Es geht von 1050 Metern auf 1900 Meter. Vom Frühling in den Winter. Die Sierra Nevada macht ihrem Namen „schneebedeckte Bergkette“ alle Ehre. Ne- ben den Gipfeln um den 3482 Meter hohen Mulhacén sind die Hänge überzuckert. Darüber dunkle Wolken. Die Farben der Landschaft bestehen aus Braun und einem zarten Grün. Darin grasen Kühe mit ihren Kälbern. Ab und zu fährt ein klappriges Auto vorbei, der Hirte der Tiere. Sonst ist niemand zu sehen. Bildtafeln warnen vor den „Perros de Guarda“ – den riesigen Hütehunden.

Gut geschützt durch zwei Lagen Outdoorbekleidung lasse ich mich von dem im Lauf des Tages immer stärker werdenden Wind vorantragen. Die Piste taucht in ein Tal ab. Kurz nach elf Uhr versperrt mir ein Gitter den Weg. Es gehört zu einer Farm und lässt sich schnell öffnen und schließen. So schön die Stille hier auch ist, an die menschenleere Landschaft muss man sich als Mitteleuropäer erst gewöhnen. Mich mahnt sie auf dieser Solofahrt immer wieder zur Vorsicht. Jetzt bloß kein Defekt am Rad, bloß nicht stürzen. Am Nachmittag erreiche ich bei Beas de Guadix die Badlands. Das Dorf schmiegt sich im Tal des Rio Alhama in die von der Erosion zerfurchten Hänge. Die Landschaft sieht aus, als wäre sie nach einem gewaltigen Erdbeben aufgerissen. Weiß angestrichene Häuser mit roten Ziegeldächern. Auf der Ostseite der üppig bewachsenen Senke zieht sich ein Plattenweg steil auf die nächste Anhöhe hinauf. Büsche krallen ihre Wurzeln in den nackten Boden. Kakteen, dazu der Wind. Wildwest-Feeling setzt ein. Das Rad fetzt über staubige Pisten, der Sand knirscht zwischen meinen Zähnen. Jetzt legt die Fahrt richtig los.

Bergab, bergauf, rollen und schieben

Auf dem dritten Teilstück ist bei Kilometer 146 die Stelle aus dem Trailer erreicht. Die Piste springt von Anhöhe zu Anhöhe. Wie elegant sie sich in die Landschaft integriert – fast wie ein Kunstwerk. Die Übersetzung des englischen „Badlands“ bedeutet „schlechtes Land“. Ich bin schon durch viele Ecken Europas geradelt – dieser Flecken Erde haut mich um. Erneut ist weit und breit niemand zu sehen. Im Dorf Gorafe beginnt die Schleife.

Schneebedeckte Gipfel – die Tour umrundet die Sierra Nevada, das mit 3482 Metern höchste Gebirge der Iberischen Halbinsel, sie fällt im Nordteil ab. Die Landschaft braucht sich nicht vor jener in Amerika zu verstecken. Es gibt Tafelberge, steil abfallende Klippen und trockengefallene Bäche. Wäre das ein Western, so würde hier jetzt jemand durch den Canyon reiten. Für mich heißt es: ein Stück rollen und schieben, dann das gleiche Spiel bergauf.

Am Nachmittag zieht sich der Himmel zu. Es nieselt. Die Piste verwandelt sich in wenigen Minuten in eine Matschpartie. Ich bin das erste Mal auf der Tour richtig fertig und kraxle im Schongang die letzte Anhöhe hin- auf. Der Regen wird stärker. Die Dämmerung senkt sich über die Badlands. Für mich ist heute am Etappenziel Gorafe eine der Hobbit-Höhlen reserviert. Wegen der großen Hitze in den Sommermonaten haben die Einwohner Wohnungen in die Hänge gegraben. Über 200 Stück gibt es im Dorf Gorafe. Die Bauweise geht auf die Besiedlung der Mauren zurück. In der heimeligen Behausung ist alles drin, Schlafzimmer, Bad, Küche, Wohnraum. Auf der Ablage stehen Brot und Obst. Ich hole den zuvor bestellten Nudelauflauf aus dem Kühlschrank und schiebe ihn in die Mikrowelle. Ein bisschen Luxus darf es schon sein – auch in einer Hobbit-Höhle.

Andere Bilder vermittelt die Sierra de los Filabres. Die Route zieht sich einmal quer durch. Auf der 108 Kilometer langen Etappe gibt es drei Dörfer. Gorafe am Morgen. Gor am Nordrand der Berge und mein Etappenort Gérgal am Abend. Dazwischen stundenlang nichts als Natur. Es geht nur rauf oder runter. Auf über 2000 Metern liegt noch Schnee. Dieser ist letzte Nacht gefallen und schmilzt recht schnell. Zurück bleibt eine aufgeweichte Piste. Die Reifen schlittern. Im Nu legt sich eine Schlammschicht über den Rahmen. Nach der Passage sieht das Bike aus wie ein paniertes Schnitzel.

Kurz vor dem Calar Alto Observatorium flitzen die Räder über Asphalt. Bei 2150 Metern kippt die Straße ab und beschert eine herrliche Abfahrt. Los geht es mit 600 Höhenmetern wie im Rausch. Kurve folgt auf Kurve. Dann hangelt sich der nächste Gravel-Traum auf feinstem Schotter am Fuß der Berge entlang. Im Abendlicht durch sattgrüne Wälder. In der Ferne wellt sich das Land. Ich bin im Flow und weiß genau, morgen wird es wieder toll, nur ganz anders.

Neben dem Video der Badlands haben mich die Spaghetti-Western des Regisseurs Sergio Leone hierher ge- lockt. Er verlegte den Wilden Westen in die Wüste von Tabernas. Das vegetationsarme Land drückte Filmen wie „Spiel mir das Lied vom Tod“ und der „Dollar-Trilogie“ ihren Stempel auf. Radler, die durch diese Landschaft streifen, fühlen sich ebenfalls ein wenig wie ein Filmheld.

Manche Entbehrungen sind die gleichen. Auch ich bin verdreckt und von früh bis spät draußen, habe Durst, schwitze oder friere. Zum Glück lauern heute keine Ganoven. Es ist die Strecke selbst, die einem zusetzt. Die seit Tagen geschätzten Schotterwege werden von Sandpisten abgelöst. Im Nu drücken sich die Laufräder seitlich weg. Absteigen. Schieben. Immer wieder. Plötzlich sind da Radelnde, die am Gravelbike-Event Desertus Bikus teilnehmen. Die Fahrer sind so verschwiegen wie „Mundharmonika“ alias Charles Bronson im Film „Spiel mir das Lied vom Tod“. Vor allem sehen sie ziemlich fertig aus – die Biker bilden das Schlusslicht des 1350 Kilometer langen Rennens.

Die Western-Landschaft der Provinz Almería entschädigt für die Entbehrungen. In der Region Filab- res-Tabernas leben neun Menschen auf einem Quadratkilometer. Deutschlandweit sind es im Schnitt 233 Einwohner. Vor lauter Fotostopps und dem rauen Terrain stehen um 16 Uhr erst 40 Kilometer auf dem Tacho. Im Ort Tabernas steuere ich eine Bar an. Warmes Essen, Wasser und Cola – das hat stets geholfen. Im Abendprogramm gilt es nochmals so viele Kilometer zu bezwingen, dazu 1300 Höhenmeter. Irgendwie klappt es immer, dass kurz vor Sonnenuntergang das Ziel erreicht ist. So auch heute.

Kurvig und beschwingt an die Küste

Das nächste Teilstück zieht sich zum Mittelmeer hinab. Die Besiedlung nimmt zu. Es geht durch Berge, zwischen denen sich Plantagen erstrecken. Wildblumen sprenkeln die Wiesen – gelbe, lilafarbene, blaue, weiße. Das Cabo de Gata ist einer der Reisehöhepunkte mit Steilhängen, kleinen Buchten und Stränden. Auf Dörfer mit weißen Häusern folgt eine herrlich kurvige Küstenstraße, die Mittelmeer-Route der EuroVelo 8 für Radtouristen. Es bereitet Freude, ein Stück leichter voranzukommen.

Auf der siebten Etappe ist das Zentrum von Almería keine zwei Kilometer entfernt, dann geht es wieder in die Einsamkeit der Berge. Im Dauerregen nehme ich eine Kehre nach der anderen. Große, glitschige Steine säu- men die Piste. Einen erwische ich seitlich und schon haut es mich samt Rad um. Zum Glück habe ich Knielinge an, so bleibt der Sturz ohne Folgen. Aufpassen! Und Kraft einteilen! Die Tour Badlands fordert jeden Tag, aber sie belohnt auch. Auf diesem Teilstück blüht und grünt es um die Wette. Weit und breit bin ich der Einzige, der die Naturpracht der Sierra de Gádor betrachten darf.

Die Wolken hängen an den Bergen. Richtung Meer scheint die Sonne und leuchtet das Mare del Plástico einer Fata Morgana gleich aus. Eine Fläche von rund 50.000 Fußballfeldern ist mit Gewächshäusern überzogen. Gemüse und Salate für die EU aus einer der trockensten Regionen Europas. Da ist das Regenwetter heute ein Segen für die Natur. In mehreren Anstiegen zieht sich die Tour Badlands an den Südfuß der Sierra Nevada. In den letzten Jahren endete das Rennen im Dorf Capileira. Von dort aus schwingt sich eine der höchsten Pisten des Kontinents über den 3212 Meter hohen Veleta Pass. Da dieser bis in den Frühsommer eingeschneit ist, bleibt nur der Weg um die Berge.

Dazu folge ich der Fahrradroute Transnevada. Sie führt zurück nach Granada. Die Fahrt schlängelt sich an der Grenze des Nationalparks Sierra Nevada entlang. Auf der rechten Seite steigen die Berge steil empor. In der Höhe haben die Bäume ihr zartes Grün ausgetrieben. Im Gipfelbereich liegt Schnee. Viele der Bäche haben tiefe Furchen in die Hänge gewaschen. An einer Stelle geht es nur zu Fuß weiter. Das Bike steil runterschieben, über den Bach hieven, wieder steil raufschnaufen. Zum Glück ist das Meiste befahrbar. Es macht Freude, durch die Stille zu cruisen. Und die Stille wissen auch die Iberien-Steinböcke zu schätzen. Die Herden sind überall. Hoch oben, unten und voraus auf den Schotterpisten. So viele habe ich noch nie gesehen, und alle lassen sich in Ruhe beobachten.

Mit zerschlissenen Bremsen zum Ziel

Auf der finalen Etappe bleibt die Transnevada anspruchsvoll. Ein Problem hat die Tour – sie hangelt sich oben durch die Berge. Meine Bremsen sind von der gestrigen 1000-Höhenmeterabfahrt derart verschlissen, dass ich Bedenken habe, rechtzeitig stehen zu bleiben. Und nochmals stundenlang hochmühen und gleich wieder runter? Und das ohne Vorräte? Keine gute Idee. So fahre ich am Morgen ein Stück im Tal. Es ist Samstag und auf den kleinen Sträßchen sind die ersten Rennradler und Jogger unterwegs. Felder wechseln mit Seen und Dör- fern. In Dilar kann ich endlich Lebensmittel einkaufen und fahre ein letztes Mal Richtung Berge. Die Schnee- felder der Sierra Nevada leuchten in der Sonne. Dieses Mal im Osten. Gleich habe ich das Gebirge umrundet. Es kommen Wiesen voller Olivenbäume, dahinter rückt Granada ins Bild. Als ich das eingestaubte Gravelrad durch die Hotel-Lobby trage, muss ich grinsen. Geschafft – was für eine coole Fahrt! Irgendwann muss ich zurück nach Andalusien, in die Wüsten Gorafe und Tabernas. Oder durch eine der ruhigen Sierras ziehen. Im Süden Spaniens gibt es noch viele verlockende Schotterpisten zum Gravelbiken.

Fazit von Autor Thorsten Brönner: „Schwer? Ja, aber auch wunderschön! Für mich zählt die Strecke durch die Badlands zu den intensivsten, die ich in Europa durchradeln durfte.“

 

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