Sie sollen alles können: Im Alltag als Nutzfahrzeug buckeln, am Wochenende für den sportlichen Ausritt herhalten, und eine ausgedehnte Tour sollte bitteschön auch kein Problem darstellen. Ach ja, teuer dürfen sie auch nicht sein. Diesen Leistungsspagat schafften nicht alle unserer Testkandidaten. Trekkingräder unter 1000-Euro im Vergleich.
Text & Foto: Ingo Effing
Der Fahrradmarkt in Deutschland ist ein Milliardengeschäft: 2019 wurden hierzulande Fahrräder und E-Bikes im Wert von 4,23 Milliarden Euro verkauft – Tendenz steigend! Das größte Stück vom Kuchen machen dabei die vielseitigen Trekkingräder aus. Sowohl bei den E-Bikes als auch bei den „Bio-Bikes“ werden mit Abstand die meisten Modelle in dieser Gruppe verkauft. Laut Zweirad-Industrie-Verband wechselten im letzten Jahr 1 120 600 Trekkingräder (ohne Motor) den Besitzer, gefolgt von 624 950 Cityrädern. Die meisten davon unterhalb der psychologisch wichtigen 1000-Euro-Marke. In unserem Testfeld haben sich also die Verkaufsschlager der Hersteller eingefunden, die „Brot-und-Butter“-Bikes sozusagen. Der lukrative Bereich ist dementsprechend umkämpft, da ist „Preislimbo“ angesagt und auch unseren Testrädern kann man hier und da den Sparzwang ansehen, oder positiv ausgedrückt: Es werden Ausstattungs-Prioritäten gesetzt.
Der Alleskönner
Der Grund für die Popularität der Trekkingrädern ist ihre Vielseitigkeit, und genau hier verläuft auch die Grenze zum Cityrad. Alle Testräder sind mit Dreifachkurbel ausgestattet und haben genug Potential auf der Kassette, um mit leichten Klettergängen auch schwer beladen im Schneckentempo Gipfel zu erklimmen und während der anschließenden Abfahrt noch mit Druck auf der Pedale Gas geben zu können. Neben der breiten Entfaltung erweiter auch der sichere Gepäcktransport den Horizont des Trekkingrads in Richtung Radreise.
Der Spagat zwischen Alltagsrad und sportlichem Tourer gelingt aber nicht allen Modellen im Test einwandfrei. Vor allem die Träger machen Probleme und entpuppen sich beim Test mit 20 Kilo Gepäck teilweise als Wackelkandidaten. Die Gepäckträger am Green‘s, Gudereit, Hercules und Raleigh schaffen es nicht, die schweren Packtaschen schwingungsfrei über die Teststrecke zu tragen. Es fehlt die zweite Ladeeben und an der oberen Strebe hängen die Taschen teilweise ungünstig hoch, bei Schräglage kippt das Gewicht merklich in die Kurve. Negativ fallen hier Green‘s, Raleigh und Hercules auf, die Ladefläche an Letzterem hat eine Höhe von 77 Zentimetern. Nur bei Stevens und Gudereit hängt die Last auf einer zweiten Ladeebene gut sieben Zentimeter tiefer und verhält sich dort deutlich kippstabiler. Das Gudereit kann aus der günstigen Lage aber kein Kapital schlagen, da der Träger selbst eher weich und nachgiebig ausfällt. Die Racktime-Gepäckträger machen durch die Bank eine gut Figur, wodurch sich das Stevens zum Bestwert in der Bewertungs-Kategorie Radreisequalitäten punktet. Nicht unerheblich für die Tourentauglichkeit ist auch das maximal zulässige Gesamtgewicht, also Eigengewicht des Fahrrads + Fahrer + Gepäck. Hier lässt auch der an sich sehr robuste Testsieger von Radon ein paar Federn, bei dürftigen 115 Kilo Gesamtgewicht bleibt schweren Fahrern wenig Spielraum für die umfangreiche Ausrüstung auf einer langen Tour.
Drunter bleiben!
Unterhalb der umkämpften Preisgrenze von 1000 Euro ist unser Testfeld einerseits mit feinen Komponenten wie Shimano XT-Schaltwerken gespickt, bei weniger augenfälligen Teilen wird andererseits aber gerne mal der Rotstift angesetzt und auf niedrigere Gruppen, Billigware oder die günstige Hausmarke zurückgegriffen. Besonders oft fallen Sattel und Griffe dem Sparzwang zum Opfer, aber auch bei der Bereifung ziehen einige Hersteller eher günstige Schlappen auf. Diamant setzt auf hauseigene Bontrager-Reifen, die laufen zwar angenehm leicht, die vergleichsweise harte Gummimischung haftet aber nicht so griffig auf der Straße wie die Schwalbe-Konkurrenz. Scheibenbremsen sind zwar guter Standard in der Preisklasse, der im Testfeld weit verbreitete Shimano BR-MT200 Bremssattel beißt aber bei Weitem nicht so kraftvoll zu wie die Deore am Raleigh mit 180er Bremsscheibe am Vorderrad. Der Hersteller britischen Ursprungs liefert mit dem Rushhour 6.0 ohnehin eine sehr überzeugende Leistung ab und hält den hohen Deore-Standard auch bei Schalthebel, Umwerfer und Hinterradnabe, wo andere Hersteller oft auf günstigere Gruppen ausweichen. Weitere kleine Ausstattungs-Tiefpunkte sind der funzelige 30-Lux Scheinwerfer am Gudereit und die Griffe am Stevens: Die harten Kunststoffenden laufen über den weich gummierten Flügel und drücken unangenehm in die Handfläche. Die gute Nachricht: Sattel, Griffe und auch der Scheinwerfer lassen sich bei Bedarf mit wenig Aufwand und einigermaßen kostengünstig austauschen.
Nah am Ideal
Der komfortable Testsieger von Radon ist top ausgestattet und punktet auf der Teststrecke mit gutem Handling und sicherem, ausgewogenem Fahrverhalten. Der Touren-Tipp geht an das Stevens, das ebenso wie das Raleigh mit guten Allroundqualitäten aufwartet, wobei Letzteres seine sportlichen Stärken eher im städtischen Raum auszuspielen weiß. Aber auch im übrigen Testfeld kann man den Vorlieben entsprechend eine gute Wahl treffen, so spricht das antrittsstarke Gudereit mit Starrgabel eher den sportiven Fahrer an, das günstige Hercules strahlt viel Sicherheit aus und macht mit breiter Bereifung auch abseits asphaltierter Wege eine gute Figur.
Den kompletten Test lesen Sie in RADtouren 3/2020.