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Plötzlich ist es ganz still in diesem Land

Mit seinen hübschen Kolonialstädten, den vergletscherten Gebirgszügen in den Anden, dem üppigen Regenwald und den paradiesischen Stränden gilt Kolumbien als DAS SCHÖNSTE LAND LATEINAMERIKAS. Und: Die Tropenrepublik bringt immer wieder herausragende Rennradfahrer hervor. Eine Spurensuche.

TEXT: JANNIK JÜRGENS FOTOS: REMY VROONEN

Plötzlich ist es ganz still in diesem Land, in dem immer und überall Musik aus Lautsprechern dröhnt, Straßenhändler Avocados anpreisen und Motorradfahrer hupen. Auf dem Aufstieg zum Alto de Letras, einem 3340 Meter hohen Pass, nichts als Nebel und Stille. Ich schließe kurz die Augen, atme tief durch und denke, so könnte es ewig weitergehen.

Drei Tage zuvor bin ich mit meinem Freund Remy in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá zu einer Radtour gestartet, die uns bis nach Cartagena führen soll, also etwa durch die Hälfte dieses faszinierenden lateinamerikanischen Landes. Am Ende werden wir 1.200 Kilometer und 15.000 Höhenmeter unter den Reifen haben. Aber es ist mehr als nur“ eine Radtour durch Kolumbien. Unterwegs wollen wir herausfinden, warum dieses Land so viele herausragende Radprofis hervorgebracht hat. Idole wie Rigoberto Urán, der bei der Tour de France 2017 mit nur 54 Sekunden Rückstand auf Chris Froome Gesamtzweiter wurde, oder Egan Bernal. Der 26-Jährige wurde 2019 der erste Tour de France-Sieger aus Südamerika und gewann 2021 auch den Giro D ́Italia. Was ist das Erfolgsgeheimnis?

Der Alto de Letras ist der längste asphaltierte Pass der Welt. Von der Kleinstadt Mariquita aus schraubt er sich 80 Kilometer die Zentralkordillere der Anden hinauf. Zwischendurch fällt die Straße immer wieder ab, um dann wieder anzusteigen, wie eine endlose Treppe bis in die Wolken.

Als wir am Fuße der Berge starten, zeigt der Fahrradcomputer 37 Grad Celsius an. Wir radeln vorbei an haushohen Palmen und Feldern, auf denen Mais und Yucca angebaut werden. Später prägen Kaffee-, Avocado- und Bananenfelder das Bild. Ganz oben auf dem Pass dominieren Farne, Gräser, Moose und Frailejones. Die mannshohe Pflanze gehört zur Gattung der Korbblütler, wird als Heilpflanze verwendet und von den Einheimischen „Großer Mönch“ genannt.

Hunger und kein Proviant

Zwei Tage brauchen wir, um den Altro de Letras zu bezwingen. Nicht, dass es nicht auch an einem Tag zu schaffen gewesen wäre. Wir hatten nur am ersten Tag einen Fehler gemacht: Wir waren so motiviert in dieses Abenteuer gestartet, dass wir vergessen hatten, für Proviant zu sorgen. Als wir das bemerkten, hatten wir Honda, die Stadt am Rio Magdalena, bereits hinter uns gelassen.

Im Aufstieg geht nichts mehr, der Hunger schlägt zu. Die Beine leer, der Kopf müde, jeder Tritt verzweifelter. Die Versuchung ist groß, sich an einen der Lastwagen zu hängen, die sich mit Kartoffeln, Ananas oder Avocados beladen den Berg hinaufquälen. Doch nein, das wäre Betrug gewesen. Selbstzweifel machen sich breit: Schaffen wir es nicht, Kolumbien mit dem Rad zu durchqueren?

Ich muss an Efraín Forero denken. Der Radfahrer aus Zipaquira hatte sich schon 1950 in den Kopf gesetzt, den Alto de Letras mit dem Fahrrad zu bezwingen. Damals bestanden die Straßen aus Steinen, Schlamm und Schlaglöchern, und niemand traute Forero den Aufstieg zu. Forero hatte erst ein Jahr zuvor mit dem Radfahren begonnen. Auf halber Strecke drehte sein Begleitwagen um, dem Fahrer war der Weg zu gefährlich. Forero fuhr weiter, führte Selbstgespräche, als er die nebligen Höhen erreichte. Er schaffte es bis zum Gipfel und dann weiter nach Manizales.

Wir dagegen sind noch lange nicht oben. Hinter einer Kurve sehen wir ein Haus. Auf der Veranda ein Tisch mit Orangen und Bananen und eine Saftpresse. Wir kaufen zehn Bananen.

Als ich nachts in meinem Schlafsack liege, muss ich wieder an Efraín Forero denken. Er hatte damals die Tageszeitung El Tiempo überredet, die erste Tour de Colombia zu organisieren. Drei Dutzend Fahrer gingen 1951 an den Start, Forero gewann. Fortan nannte man ihn „El Zipa indomable“, den „Unbezwingbaren von Zipaquira“. Niemand hatte mit der Begeisterung gerechnet, die das Radrennen auslöste. Überall standen jubelnde Zuschauer am Straßenrand.

Aber das Rennen zeigte noch etwas anderes. In den 1950er Jahren hatte die Gewalt das Land zerrissen. Innerhalb von zehn Jahren starben je nach Schätzung zwischen 180.000 und 300.000 Kolumbianer im Bürgerkrieg. Die erste Kolumbien-Rundfahrt zeigte den Menschen, dass Straßen dieses Land verbinden, dass Berge, Dschungel und Küsten zu einer Einheit, zu einem Land gehören. Sie zeigten, dass es diese Nation gab.

Neue Kraft aus Bananen und Kaffee

Als wir am nächsten Morgen weiterfahren, hängt Nebel in den Bergen. Je höher wir kommen, desto kälter wird es. Die Straße schlängelt sich um Felsblöcke, erklimmt Bergrücken und überquert Schluchten auf Brücken. Die Lastwagen, die uns entgegenkommen, riechen nach verbrannten Bremsbelägen. Unser Atem steigt in Wolken vor unseren Gesichtern auf, als ein Schild anzeigt, dass wir „nur“ noch acht Kilometer radeln müssen, bis wir den Pass erreicht haben.

Nächster Halt ist das Dorf Letras – eine Polizeistation, eine Kirche, ein Restaurant, zwei Krim-Kram-Läden. Es ist kalt, die Berge verschwinden in einer Suppe und kippen fünf Gläser Saft hinunter. Gestärkt fahren wir weiter nach Fresno, wo wir zwei gegrillte Hähnchen und einen Berg Kartoffeln essen.

Der Alto de Letras ist mit seinen 3.680 Metern einer der anstrengendsten Pässe der Welt. Von Mariquita aus sind es gut 80 Kilometer bergauf.

Nebel und Wolken. Plötzlich höre ich eine Stimme hinter mir: „Warte, es gibt Kaffee und Kuchen! Es ist Brayan Chaves. Er ist der sieben Jahre jüngere Bruder von Radprofi Esteban Chaves, der 2016 als erster Nicht-Europäer die Lombardei-Rundfahrt gewonnen hat. Brayan serviert und erzählt von der Stiftung seines Bruders, die Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg zum Radprofi unterstützt. „Viele junge Kolumbianer träumen von einer Karriere in Europa“, sagt er.

Später, nach knapp einer Stunde rasanter Abfahrt, erreichen wir Manizales, die Hauptstadt des Departements Caldas. Die Stadt liegt im Hauptanbaugebiet für Kaffee in Kolumbien, in Sichtweite des Vulkans Nevado del Ruiz. Der härteste Teil unserer Reise liegt nun hinter uns.

In der Werkstatt der Katze

Am nächsten Tag radeln wir weiter nach Medellín. Die Stadt liegt in einem Talkessel, und als wir sie wieder Richtung Norden verlassen, müssen wir über einen weiteren Pass, den Alto de la China. Zwölf Kilometer geht es bergauf, an der steilsten Stelle 18 Prozent. Im kleinsten Gang quälen wir uns hinauf. Hinter uns verschwindet Medellín im Dunst. Am Hang patrouillieren Soldaten.

Nach dem Pass geht es weiter durch die ländliche Gegend des Departamento de Antioquia, einer Region im Nordwesten Kolumbiens. Die Straße schlängelt sich über Hügel und Wiesen, auf denen Rinder grasen. Am Abend erreichen wir Santa Rosa de los Osos, wo zunächst eine Reparatur ansteht.

Im Haus der Katze

Remys Vorderrad dreht sich nicht mehr richtig, der Nabendynamo hat wohl einen Schlag abbekommen. Wir suchen den einzigen Fahrradladen des Ortes auf. El Gato heißt er, die Katze. Das ist der Spitzname des Besitzer. Während er den Dynamo repariert, unterhalten wir uns über Radsport. Wer denn sein Lieblingsfahrer sei, will ich wissen. „Rigo natürlich“, sagt er und meint Rigoberto Urán, einen der erfolgreichsten Radsportler des Landes. Aber El Gato mag Rigo noch aus einem anderen Grund. Wie er ist Rigo als armer Junge auf dem Land aufgewachsen. Die Region, in der Rigo mit seiner Familie lebte, war ein Zentrum der Farc-Guerilla. Sein Vater geriet zwischen die Fronten, und als Rigo 14 Jahre alt war, wurde er ermordet, mutmaßlich von Paramilitärs. Rigo begann, Lose zu verkaufen, und verdiente so viel Geld, dass er sich ein gebrauchtes Fahrrad kaufen konnte – und sein erstes Rennen gewann. El Gato bewundert Rigoberto Urán, weil er trotz seiner schwierigen Lebensumstände ein herausragender Radprofi geworden ist.

Mit erneuertem Dynamo geht es am nächsten Tag weiter. Kurz vor Tarazá und Cáceres entdecken wir an den Häusern Schriftzüge der Paramilitärs und der Guerilla: AUC und ELN. Und wir schaudern bei dem Gedanken, dass hier in der Vergangenheit Tausende Menschen entführt wurden. Pakete fischen“ nannten die Guerilleros das. Sie hielten ihre Geiseln im Regenwald gefangen, um Lösegeld zu erpressen. Eine grüne Hölle war der Regenwald für die Opfer. Für mich hingegen symbolisiert das Grün Hoffnung. Der Frieden, der seit sechs Jahren herrscht, ist zwar nicht perfekt,Aber er hat dafür gesorgt, dass wir ohne Angst vor Entführung durch dieses wunderbare Land reisen können.

Die letzten 205 km

Der letzte Tag unserer Radreise hat es noch einmal in sich. Wir fahren 205 Kilometer durch das Departamento Bolivar und sitzen gut neun Stunden im Sattel. Am Morgen sticht die Sonne wie eine glühende Kugel durch den Nebel und taucht die Wiesen, Bäume und Palmen in ein zartes Rosa. Am Abend erreichen wir die Innenstadt von Cartagena, die als eine der schönsten Städte Südamerikas gilt. Cartagena liegt an der Karibikküste und so lassen wir die Eindrücke dieser Reise am Strand Revue passieren. Wir überlegen, wie wir die Frage beantworten würden, warum Kolumbien so herausragende Radprofis hervorbringt. Ich glaube, dass die Kolumbianer so gute Radfahrer sind, weil sie von klein auf auf den steilsten Straßen und in den höchsten Bergen trainieren. Viele von ihnen leben auch in Gegenden, die 3000 Meter über dem Meeresspiegel liegen, und sind somit quasi ständig im Höhentrainingslager

Fazit des Autors Jannik Jürgens:

„Wer Kolumbien entdecken will, sollte das mit dem Fahrrad tun. Das Land ist radsportverrückt und die Berge sind gigantisch.“

 

 

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