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Leserreportage: Vietnam – ein quirlig buntes Land

Jakob Fischer ist gemeinsam mit seiner Tochter von Hanoi nach Ho-Chi-Minh-Stadt geradelt – 2300 Kilometer durchs Hinterland und an der Küste Vietnams entlang, durch einsame, grüne Berge und lebhafte, moderne Metropolen.

Hanoi, die Hauptstadt Vietnams, empfängt uns schon im Januar mit sommerlichen Temperaturen. Wir, das bin ich, Jakob (62) und meine Tochter Hannah (27). Die quirlige aber liebenswerte Metropole lässt uns keine lange Eingewöhnungszeit. Dichter, aber unaufgeregter Verkehr, Läden, Händler und zugestellte Gehwege fordern unsere volle Konzentration. Abgase mischen sich mit dem Duft der Köstlichkeiten, die in den zahlreichen Garküchen entlang der Straßen zubereitet werden. Wir nehmen uns Zeit, einige Tempel, Pagoden und historische Häuser zu besichtigen. 

Am nächsten Tag radeln wir zunächst nach Südwesten und folgen der perfekt asphaltierten Ho-Chi-Minh-Road, jenem historischen Versorgungspfad, der schon zu französischer Kolonialzeit von den vietnamesischen Befreiungskämpfern angelegt wurde. Je weiter wir uns von Hanoi entfernen, desto einsamer sind wir unterwegs. Wir nehmen uns immer wieder Zeit, die kleinen Dörfer zu durchstreifen und können uns gut in den kleinen Läden versorgen. In den urigen Restaurants freut man sich über unseren Besuch. Eine Verständigung ist aber äußerst schwierig. Kaum jemand spricht auch nur wenige Worte Englisch. Wir müssen selbst in die Töpfe schauen und unsere Wünsche verständlich machen. Meistens und zu jeder Tageszeit landet Pho, die landestypische Nudelsuppe, auf den kleinen Plastiktischen. Die verschiedenen Varianten dieses Nationalgerichts erkennen wir durch die Sprachbarriere  aber nicht.


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Zwangsläufig haben wir nach ein paar Tagen dann auch die wichtigsten Vietnamesisch-Vokabeln drauf. Allein für „Hotel“ gibt es fünf verschiedene Begriffe. „Nha Ngi“ bedeutet „Haus Ruhe“ und entspricht einer einfachen Pension. Nicht immer liegt eine Matratze im Bett. Manchmal muss auch eine Wolldecke auf dem Holzuntergrund reichen. 

Den ersten Ruhetag gönnen wir uns nach einer Woche im Phong-Nha-Nationalpark. Die Besichtigung einer der zahlreichen Höhlen ist unbedingt zu empfehlen. Wir beginnen mit der Paradise-Cave – wie es heißt, die größte der Welt: 31 Kilometer lang, davon eineinhalb begehbar, und bis zu 100 Meter hoch. Beeindruckende Stalagmiten und Stalaktiten gigantischen Ausmaßes sind zum Glück dezent und stimmungsvoll illuminiert.

Die Topographie auf der weiteren Fahrt nahe der Grenze zu Laos wird nun zunehmend bergiger. 1800 Höhenmeter, die auf der nächsten Tagesetappe zu bewältigen sind, verlangen uns einiges ab. Zudem gibt es in dieser spärlich besiedelten Region kaum noch Möglichkeiten, Wasser und Lebensmittel zu bekommen. Wir queren deshalb schon etwas früher als ursprünglich geplant in die belebtere Küstenregion, wo als kulturelles Highlight die alte Kaiserstadt Hue auf uns wartet. Insbesondere die außerhalb der Stadt liegenden Grabstätten haben uns beeindruckt. Der poetisch veranlagte Kaiser Tu Duc, der im 19. Jahrhundert residierte, erbaute sich hier schon zu Lebzeiten eine Park- und Palastlandschaft mit 50 Gebäuden für seine letzte Ruhe. Aus Angst vor Grabräubern wurde er aber später dann doch an einem geheimen Ort beigesetzt.

Von nun an setzen wir unsere Reise auf küstennahen Straßen fort. Zunächst geht es über den Wolkenpass, auch Wetterscheide zwischen dem subtropischen Norden und tropischem Süden. Nach den Bergetappen der Tage zuvor aber eine eher leichte Übung.

Hoi An ist die nächste Stadt, in der wir verweilen wollen. Das kleine Hafenstädtchen wurde ab dem 15. Jahrhundert von chinesischen und japanischen Kaufleuten gegründet. Straßen und Häuser sind mit bunten Lampions geschmückt, ebenso die zahlreichen Ausflugskähne. Durch das anstehende Tet-Fest, das nach vietnamesischem Kalender das neue Jahr einläutet, platzt die Stadt aus allen Nähten. Die Familien kommen zusammen und flanieren durch die Gassen und sorgen auf dem Nachtmarkt für gute Umsätze.

Der weitere Verlauf unserer Route führt uns auch nach My Lai, das Dorf, dessen Name symbolisch für die Grausamkeiten des Krieges steht, nachdem amerikanische GIs hier 1968 über 500 Zivilisten massakrierten. Dokumentationszentren und endlose Soldatenfriedhöfe erinnern immer wieder an die leidvolle Geschichte des Landes.

Nachdem wir nun schon 2000 Kilometer geradelt sind, erreichen wir Mui Ne und damit den touristisch gut erschlossenen Süden. Ein paar Strandtage haben wir uns jetzt verdient. Wir genießen es nochmal, die malerische, verkehrsarme Küstenstraße zu befahren, bevor wir uns Ho-Chi-Minh-Stadt, die von vielen immer noch Saigon genannt wird, nähern. Am dunstig grauen Horizont taucht die von Wolkenkratzern dominierte Skyline auf. Wir beziehen ein Hotel im District 1, dem Zentrum der Neunmillionen-Metropole. Viele alte Häuser sind hier den Türmen der Hotels und großen Konzerne gewichen. Man muss schon etwas suchen, will man das in einigen Nebenstraßen versteckte ursprüngliche Saigon finden. Die Stadt will ganz offensichtlich ihre Geschichte hinter sich lassen und wendet sich kompromisslos der Moderne zu.

 

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