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FAHRRADFREUNDLICH!

Mit diesem Prädikat schmücken sich inzwischen immer mehr Kommunen in Deutschland. Geht es ihnen dabei ums Klima, um die Verkehrswende – oder womöglich doch nur ums grüne Image?

Als radverrückt würde sich Christian Wilhelm nicht gerade bezeichnen. Trotzdem besteht für den Bürgermeis- ter des Allgäuer Fremdenverkehrsortes Sonthofen in einem Punkt kein Zweifel: „Es gibt keinen Grund, im Ort nicht Fahrrad zu fahren – vor allem, weil es viel bequemer ist als mit dem Auto.“ Der Rathauschef hat daraus die Konsequenz gezogen und bald nach seiner Amtsübernahme im Jahr 2014 den fahrradgerechten Umbau seiner Stadt angepackt.

TEXT: KLAUS TSCHARNKE

Wilhelm ließ ein Radverkehrskonzept erstellen, das Radnetz ausbauen, Lücken schließen und die erste Fahrradstraße im Oberallgäu anlegen. Heute führt eine Nord- Süd-Achse die Radfahrenden sicher durch die Stadt. Eine Ost-West-Achse soll folgen. Am Bahnhof gibt es eine Fahrradabstellanlage mit 250 Plätzen, ein Fahrradparkhaus ist geplant. Damit gilt Sonthofen unter süddeutschen Radverkehrsplanern als Modellstadt. Und als „fahrradfreundliche Kommune“ – mit Brief und Siegel des bayerischen Verkehrsministeriums. In diesem Punkt ist Sonthofen inzwischen freilich keine Ausnahme mehr. Dem Kreis der offiziell als „fahrradfreundlich“ geltenden Kommunen gehören allein im Freistaat inzwischen 113 der gut 2100 bay- erischen Städte, Gemeinden und Kreise an. Knapp 1000 sind es nach Recherchen von RADtouren derzeit bundesweit.

Unterschiede gravierend

Nicht in allen Bundesländern sind die Anforderungen zur Erlangung des begehrten Titels „Fahrradfreundliche Kommune“ so hoch wie in Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen. Dort müssen interessierte Gemeinden teils ein mehrstufiges Zertifizierungsverfahren durchlaufen, bevor sie den offiziellen Titel „Fahrradfreundliche Kommune“ tragen dürfen. Stoßen die Prüfer auf Mängel, fordern sie von den örtlichen Radverkehrsplanern Nachbesserungen. Keineswegs jede Kommune besteht den zweigeteilten Prüfzyklus auf Anhieb.

In etlichen anderen Bundesländern reicht hingegen bereits ein Bekenntnis des Stadt- oder Gemeindeparlaments zur Förderung des Radverkehrs und die Mitgliedschaft in der jeweiligen Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK), um sich fahrradfreundlich nennen zu dürfen. Manche Landes-AGFKs fordern auch noch ein Fahrradkonzept für die jeweilige Kommune. In Hessen wiederum versteht sich das dortige Pendant zu den AGFKs, der Verbund AG Nahmobil (AGNH), eher als Beratungsdienstleister für das Kommunen-Netzwerk.

Auch für den Berliner Mobilitätsforscher Tobias Klein ist die Aussagekraft und Verbindlichkeit des Labels „Fahrradfreundliche Kommune“ bzw. die AGFK-Mitgliedschaft im Ländervergleich recht unterschiedlich. Gerade in Ländern wie Sachsen und Thüringen mit einer nicht so stark ausgeprägten Radtradition ist nach seiner Ansicht das Siegel „Fahrradfreundliche Kommune“ wenig aussagekräftig. „Ich habe nicht den Eindruck, dass die Kommunen dort schwierige Bedingungen erfüllen müssen“, macht der wissenschaftliche Mitarbeiter im Team Nahmobilität am Deutschen Institut für Urbanistik (DiFU) in Berlin deutlich.

Vor einem Missverständnis beim Begriff „Fahrradfreundliche Kommune“ warnt derweil die Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK) in Bayern, Sarah Guttenberger. „Die fahrradfreundliche Gestaltung einer Kommune ist eine Daueraufgabe. Den Titel bekommt eine Gemeinde nicht, weil sie bereits das Endstadium erreicht hat. Die Vergabe des Titels ist vielmehr eine Anerkennung der bisher erbrachten Leistung und der Bereitschaft, am Thema Fahrradfreundlichkeit dran zu bleiben. Das sind Maßnahmen, die zunächst stadtintern wirken und erst dann Stück für Stück ins Stadtbild getragen werden“, erläutert Guttenberger. Mit einer vollmundigen Absichtserklärung ist es nicht getan. Wer den Titel tragen will, muss zumindest in Bayern ähnlich wie in NRW und Baden-Württemberg etliche Anforderungen erfüllen.

Hier einige Beispiele:

  • Ein Grundsatzbeschluss des Kommunalparlaments zur Förderung des Radverkehrs
  • Die Ernennung eines/r Fahrradbeauftragten
  • Die Erarbeitung eines Radkonzepts und eines Radwegnetz-Plans sowie klare Zielvorgaben für den künftigen Radverkehrsanteil
  • Den Nachweis eines Winterdienstplans für die Schneeräumung auf Radwegen
  • Die Ausweisung von Rad-Umleitungsstrecken bei Baustellen
  • Konkrete Planungen etwa zur Schließung von Radweglücken, der Anlage von Radfahrstraßen, Abstellanlagen und der Radwegweisung
  • Ein Internet-Angebot zum Thema „Radverkehr“ sowie einen Online-Schadensmelder oder ein „Scherbentelefon“
  • Zusammenarbeit mit örtlichen Verbänden, etwa dem ADFC

Auch wenn das in Bayern übliche mehrstufige Zertifizierungsverfahren Städte nicht von einem Tag auf den anderen in Radparadiese verwandelt – die inzwischen mehr als zehnjährige Arbeit der bayerischen AGFK hat nach Guttenbergers Überzeugung den Blick auf das Thema Fahrradverkehr in vielen Kommunen deutlich geschärft.

Der von der AGFK verlangte Grundsatzbeschluss eines Stadt- oder Gemeinderates, fahrradfreundlich werden zu wollen, verändere oft Vieles: „Für uns ist es wichtig, Verbindlichkeit zu schaffen. Nach und nach wird das dann auch auf der Straße sichtbar“, berichtet Guttenberger. Für weiteren Schub sorge zudem das umfangreiche Beratungs- und Fortbildungsangebot der AFGK Bayern. Die Motive der Kommunen, sich dem nicht einfachen Zertifizierungsverfahren in Bayern zu unterwerfen, ähneln sich nach Guttenbergers Erfahrung: „Das Rad wird inzwischen als tägliches Verkehrsmittel ernster genommen“. Und natürlich spiele inzwischen auch das Thema Klimaschutz in immer mehr Städten und Gemeinden eine Rolle. Auch hätten viele Kommunalpolitiker verstanden, dass der Umstieg der Bürger vom Auto aufs Fahrrad Ortskerne und Stadtzentren lebenswerter mache.

Bis die begehrte Plakette aber neben der Rathauspforte prangt, können zumindest in Bayern schon mal drei bis fünf Jahre vergehen. In der Zeit zwischen der sogenannten Vorbereisung und der späteren Hauptbereisung haben die Kommunen in der Regel eine lange Mängelliste abzuarbeiten. Da mahnen die Prüfer, wie im fränkischen Fürth, schon mal die rasche Schließung von Radweglücken an oder verlangen, wie in München, drastischere Maßnahmen gegen die vielen Falschparker auf Radwegen.

Und dennoch bleiben bisweilen in der örtlichen Radlerszene Zweifel: Nicht jeder autogeplagte Alltags- oder Ausflugsradler hält seinen positiv bewerteten Ort für wirklich fahrradfreundlich. Wer es genauer wissen will, wirft am besten einen Blick in den ADFC-Fahrradklimatest, eine alle zwei Jahre stattfindende Umfrage unter Fahrrad- nutzern. Das Ergebnis ist ein bundesweites Städteranking auf Schulnotenbasis (eine Zu- sammenfassung finden Sie im RADtouren Spezial Deutschland 2023). Vergleicht man die Urteile etwa der bayerischen AGFK-Prüfer mit denen der Nutzer vor Ort, ergibt sich ein gemischtes Bild.

Einerseits finden sich unter den 25 von Radfahrern am besten benoteten Kommunen viele als „fahrradfreundlich“ zertifizierte Gemeinden. Die Einschätzungen der AGFK- Prüfer und der örtlichen Radelszene sind in diesen Fällen also weitgehend deckungsgleich. Andererseits rangieren einige der vermeintlich fahrradfreundlichen Kommunen auch auf Schlusslichtplätzen. Von denen, so stellt AGFK-Geschäftsführerin Guttenberger allerdings klar, steckten einige noch mitten im Zertifizierungsverfahren.

Der Mobilitätsforscher Tobias Klein hält dennoch den kommunalen Zusammenschluss in Sachen fahrradgerechter Ortsgestaltung für richtig und wichtig. Denn in vielen Kommunen bekenne man sich in Sonntagsreden zwar zur Fahrradfreundlichkeit, „zwischen den Lippenbekenntnissen und der Realität klaffen aber oft tiefe Gräben“, berichtet er.

Mangelhafte Umsetzung

Eher ernüchternd fällt auch die Bilanz der ADFC-Ortsvereins in Troisdorf bei Bonn aus. Troisdorf gehört zu den Kommunen, die vor 30 Jahren die AGFS in Nordrhein-Westfalen gegründet hatten. „Am Anfang lief das alles sehr gut“, erinnert sich Wolfgang Zeidler, der Troisdorfer ADFC-Ortsvorsitzende. „Nach und nach schlief das Ganze aber wieder ein“. Von den zentralen Verbesserungen für den Radverkehr sehe man heute jedoch kaum noch etwas: „Ein Fahrradstreifen auf der Bundesstraße wurde rasch wieder entfernt. Und eine rund zwei Kilometer lange Velo-Straße wurde Ende letzten Jahres auf Drängen der Polizei wieder geschlossen.“

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